4. Mai 2016

Max Punstein lockt die Szene nach Potsdam


Früher meinte eine Mehrheit, dieser schnelle, dissonante Lärm sei keine Musik. Heute leidet der Jazz unter dem Dominanz der Popkultur. Der Schlagzeuger Max Punstein lebt seit drei Jahren in Potsdam und hat hier schon viel bewegt.

Nirgendwo lässt sich so entspannt frühstücken wie im „Zweitwohnsitz“. Max Punstein ist in dem lauschigen Café in Potsdam-West Stammgast, fühlt sich aber wie ein Gastgeber. In einem Regal liegt die erste CD der Max Punstein Group aus und kann hier – neben anderen erlesenen Kulturprodukten – erworben werden. Für das Album „Contrasty“ bekam der Jazz-Schlagzeuger 2015 den Kunst-Förderpreis des Landes Brandenburg zugesprochen.

Beim fünften Titel auf der CD handelt es sich um eine erstaunliche Neuinterpretation des Jazz-Klassikers „Joy Spring“. Egal, ob man das mitreißende Lied mit „Frühlingsgefühl“ oder „Freudensprung“ übersetzt, es hat viel mit Punstein und seiner derzeitigen Aufbruchsstimmung zu tun.

Die beschwingte Melodie, die Punstein neu arrangiert hat, stammt von Clifford Brown, dem genialen US-amerikanischen Jazztrompeter, der 1956 im Alter von nur 26 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Der Jazz ist in die Jahre gekommen, aber auch ewig jung geblieben. Max Punstein gehört zu denen, die sich für die Gegenwart und die Zukunft des Jazz’ starkmachen. Sein musikalisches Leben hat er mit der Trompete begonnen. Von dem Sohn eines Flötisten und einer Pianistin wurde rein gar nichts erwartet. Die Freude am Musizieren übertrug sich einfach auf ihn und seine drei Geschwister. Die Eltern engten ihn auch stilistisch nicht ein. „Ich bin im Crossover aufgewachsen“, sagt Punstein und lächelt wie ein „Hans im Glück“. 

Als er 17 war, entdeckte er seine eigentliche Berufung, das Schlagzeug. „Ich hatte einen regelrechten Schlagzeugflash.“ Binnen kürzester Zeit steuerte er die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Saarbrücken an und nahm zum Abschluss mit einem Pianisten, einem E-Gitarristen und einem Kontrabassisten besagte Live-CD auf. Die Coverversion von „Joy Spring“ lebt von mehreren Brüchen. Die 32 Takte werden mal im Swing- und Bebop-Gestus interpretiert, als Jazzrock-Stück und sogar in psychedelischer Manier. Es ist, als ob das wiederkehrende Leben in den Frühlingsknospen verlangsamt unterm Mikroskop betrachtet und hörbar gemacht wird. Dem Schlagzeug ist dabei anzumerken, dass es die Harmonien mitfühlt. Als ehemaliger Trompeter spielt Punstein nuancierter als viele Kollegen, die nur den Rhythmus vorgeben. 
Max Punstein versteht sich auch auf Rock, auf Soul, R ’n’ B und Grunge. Beim letzten Landesrockwettbewerb stand er der Jury vor. Aber seine größte Liebe gehört dem Jazz und den Möglichkeiten der Improvisation. „Das ist die freieste Musik, die es gibt. Im Jazz lässt sich jeder Titel jeden Abend neu spielen“, schwärmt er. 
 
Gegen die Übermacht des Pops hat der Jazz heute einen schwereren Stand. In Clifford Browns Zeit war es noch die klassische Musik, die gegen den Jazz ins Feld geführt wurde. Als der schwarze Trompeter Brown seine Frau kennenlernte, saß diese gerade an einer Promotion, die den Nachweis erbringen sollte, dass „dieser schnelle, dissonante Lärm keine Musik ist“. 

Max Punstein muss diesen Nachweis nicht mehr führen. Er hat aber noch eine Weiterbildung als Kulturmanager absolviert, um dem Jazz auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt einen gebührenden Freiraum zu verschaffen. Nach seinem Umzug vor drei Jahren nach Potsdam gründete er die Veranstaltungsreihe „JazzTime in Babelsberg“. 
Info : Jeden dritten Donnerstag im Monat spielt im Kulturhaus Babelsberg die Max Punstein Group mit einem wechselnden Gast. Am 19. Mai wird der Gitarrist John Schröder erwartet. 

Das Gespräch führte Karim Saab, erschienen in der Märkischen Allgemeinen, 01.05.2016