18. März 2015

Herr Punstein, Sie sagen von sich, dass Sie gerade rundum zufrieden sind und es gar nicht besser laufen könnte. Dabei ist Ihre Veranstaltungsreihe „JazzTime in Babelsberg“ doch erst im März vergangenen Jahres gestartet, am Donnerstag feiern Sie einjähriges Jubiläum. Sind Sie vom erfolg überrascht?

Ich bin regelrecht geflasht. Ich hatte ja gar keine Erwartungen, ich habe nur gesehen, dass in Potsdam nicht viel los war und es kaum Sessions gab, wenig Vernetzung in der Szene.

Sie waren damals gerade frisch in Potsdam angekommen und wollten sofort etwas daran ändern?

Wenn man neu ist, schaut man erst mal, wo man hingehen und Leute kennenlernen kann. Und da wurde ich nicht wirklich fündig, zumindest nicht im Jazzbereich. Und da habe ich mir gedacht: Okay, starte ich einfach so eine Session. 

Wie macht man das denn, wenn man neu in eine Stadt kommt? Hatten Sie die Musiker schon dabei?

Nein, nicht mal das. Ich habe in Zeitungen und im Internet geschaut, wer kulturell aktiv ist – und dann bin ich auf den Verein Jazzinitiative Potsdam e.V. gestoßen, den es jetzt zehn Jahre gibt. Und mit Jürgen Börner, der ja leider im letzten Herbst verstorben ist und die Jazzinitiative gegründet hatte, habe ich mich getroffen und ihm von meiner Idee erzählt. Die fand er total super. 

Vor einigen Jahren war Jazz in Potsdam ja noch eine ziemlich große Nummer. Haben Sie noch die Jazzer von damals kennengelernt?

Nein, nicht wirklich, außer Jürgen Börner. Der hat aber auch festgestellt, dass hier alles zum Erliegen gekommen ist. Und er hatte den Kontakt zum AWO-Kulturhaus in Babelsberg, wo es immer mal wieder Kooperationen gab. Ich bin dann auch Mitglied von der Jazzinitiative geworden, und gemeinsam haben wir dann JazzTime in Babelsberg gestartet. Das erste Konzert war ja noch unten in der Lounge, mittlerweile sind wir nach oben in den Konzertsaal gezogen. 

Das ging ja dann ziemlich schnell. Wie waren denn Ihre Erwartungen?

Ich hatte zunächst gar keine. Wir waren ja zu dritt, ich am Schlagzeug, Nicolas Schulze am Klavier und Max Leiß bzw. auch Roberto Badoglio am Bass, und als ersten „Special Guest“, der ja zum Konzept gehört, hatten wir Rolf von Nordenskjöld eingeladen. Aber wir wollten diese Session eben auch nutzen, um die Musiker zusammenzubringen. 

Das scheint ja geklappt zu haben.

Ja, ich hatte in den ersten Monaten bereits das Gefühl, ich kenne mehr Musiker als diese selbst. Da fand einfach keine Zusammenarbeit statt. Aber das ist für eine Kulturszene total wichtig, das braucht die einfach. Als Einzelkämpfer, gerade in einem Nischenbereich wie Jazz, ist man verloren. 

Der Potsdamer Jazzmusiker spielt heimlich im Keller und hat nur wenige Freunde…

Das ist zumindest ein Eindruck, den ich in Gesprächen so vermittelt bekam, ja. Wer Kultur macht, braucht jedoch Kooperation. Gemeinsam hat man viel mehr Power. Und das hat funktioniert: Einer hat z.B. letztens einen Bassisten gebraucht, den hat er auf unser Session gefunden und dirket gebucht hat. 

Es gibt ja auch noch das JazzLab in der „fabrik“, das ungefähr gleichzeitig mit Ihrer Reihe angefangen hat. Gab es da keinen Konkurrenzgedanken?


Zu keiner Zeit, wir arbeiten ganz eng zusammen. Manchmal ist es mit Musikern schwierig, die haben ihr Ego und wollen ihr Ding machen. Davon muss man wegkommen. Man nimmt sich auch überhaupt nicht das Publikum weg, ganz im Gegenteil, wir kooperieren miteinander. 

Sie kommen nach Potsdam, machen etwas – und füllen damit quasi ein Vakuum?

Meine Erfahrung war, dass in Potsdam unglaublich viel für die Kultur für Touristen gemacht wird, Schloss Sanssouci und so weiter. Die kreative Szene geht momentan noch etwas unter. Aber ich habe schon so viele tolle Musiker und Kreative hier kennengelernt, man muss gar nicht immer nach Berlin fahren. Das hat noch nicht so die Unterstützung, aber da passiert gerade einiges. 

Und da kam diese Session zu einem glücklichen Zeitpunkt?

Wir können ja als Veranstalter nur einen Rahmen geben, die andere Hälfte ist das Publikum. Ich bin dankbar, dass das so gut angenommen wird. Obwohl ich vorher gewarnt wurde: Pass auf, das wird in Potsdam schwierig, die Leute gehen eher nach Berlin, wenn sie mal weggehen. Aber das war gar nicht so. Es war immer voll, fast immer ausverkauft. Ich war letztens erst auf einer Session in Berlin und habe mich mit einem Musiker unterhalten, dem ich erzählt habe, dass ich aus Potsdam komme. Und er fragt mich: Kennst du JazzTime in Babelsberg? Da habe ich angefangen zu grinsen. 

Heißt das, dass die Berliner jetzt nach Babelsberg kommen?

Auf jeden Fall. Und es werden immer mehr. Das gehört auch zu den drei Zielen, die ich hatte: Vernetzung, Nachwuchsförderung und den Austausch mit Berlin. Und schon nach einem Jahr sind alle drei Ziele erreicht. Wir wollen das natürlich noch weiter ausbauen. Aber es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Berliner Berlin verlässt, oder? 

Na aber. Zum Thema Nachwuchsförderung: Sie arbeiten als Schlagzeuglehrer in der städtischen Musikschule. Rekrutieren Sie dort etwa den Nachwuchs?

Nein, die Nachwuchsförderung in dem Zusammenhang meint eher die Sessions im Anschluss ans Konzert. Klar, die Konzerte haben zunächst ein unglaublich hohes Niveau, aber uns gelingt der Spagat, dass niemand Angst hat, bei uns zu spielen – im Gegenteil. Bei uns spielen viele, die gar nicht so viel Erfahrung im Jazz haben. Und unsere Top-Profis, die wir als Gäste einladen, die bleiben oft noch nach dem Konzert. Ich höre auch oft, dass unsere Atmosphäre so herzlich und offen ist und niemand die Musikerpolizei spielt. 

Stehen Sie vor dem Konzert am Einlass und zählen durch, wie viele Gäste ein Instrument dabeihaben?

Nein, meistens weiß ich das vorher, oder die Leute kommen in der Pause vom Konzert und sagen, dass sie gern spielen wollen. Es hat ja keinen Sinn, wenn auf einmal alle auf die Bühne stürmen, sondern wir versuchen das ein bisschen zu organisieren. Mittlerweile gibt es ein Stammpublikum, aber es kommen immer wieder neue dazu. 

Sie sind 27 Jahre alt, Leute in Ihrem Alter gehen eher auf Electro-Partys oder zu Pop-Konzerten. Ist der Jazz bei Ihnen Familiensache?

Ganz genau, mein älterer Bruder hat Jazz-Piano studiert, mein Vater hat eine Big Band geleitet, ich bin viel mit klassischer Musik und Jazz aufgewachsen. Aber ich habe auch andere Musik gehört: Rock, Punk, Metal. Einseitige Ernährung war noch nie mein Fall, das ist bis heute so: ich spiele auch in einer Pop-Rock- und in einer R’n’B-Band, außerdem bin ich als Tourschlagzeuger unterwegs. Ich spiele besser Rock, seit ich Jazz spiele, und andersrum genauso. 

Was ist denn für Sie das Besondere am Jazz?

Darüber müssten wir noch ein Extra-Interview führen. Aber es ist diese Freiheit in der Musik, das Improvisieren und Spontane. Das ist eine Qualität, die die Leute schätzen. Die sind ja auch irgendwann der Drei-Minuten-Radiosongs überdrüssig. Und auch für junge Leute wird Jazz gerade dadurch wieder interessant. 

Sie haben ja europäische Jazzgrößen als Gäste, am Donnerstag kommt der Jazztrompeter Paul Brody, der für den WDR spielt, außerdem mit Clueso oder Blixa Bargeld. Wie kamen Sie zu ihm?

Ich habe von ihm gehört und ihn angesprochen. 

Moment - Sie rufen da einfach an?

Ja, ich habe seine Website gesucht, habe ihn angerufen und von meiner Idee erzählt. So einfach ging das. Aber ich habe mit Nicolas Schulze und Robert Bardoglio auch gute Musiker: Unsere Special Guests checken ja schon vorher aus, mit wem sie da spielen. Ich musste noch nie jemanden wirklich überreden, nach Babelsberg zu kommen. 

Vor Kurzem haben Sie den Brandenburgischen Kunstförderpreis für Musik erhalten. Mit dem Preisgeld wollen Sie ein neues Album aufnehmen.

Genau. Das letzte Album der Max Punstein Group wurde ja live eingespielt, jetzt gibt es ein Studioalbum!

Das Gespräch führte Oliver Dietrich, erschienen in den Potsdamer Neusten Nachrichten, 18.03.2015