7. Mai 2015

“Musiker zu sein, ist ein Fulltime-Job” – 
Max Punstein über die Bedeutung von Kooperationen im Musikbusiness
Veröffentlicht am 05/05/2015 bei DigiMediaL von Carolin Woskanjan


Ich stehe im Sonnenschein am Bahnhof Potsdam und warte auf Schlagzeuger und Jam Session Organisator Max Punstein. Erst vor wenigen Tagen war ich in Brandenburg und besuchte seine Veranstaltungsreihe "JazzTime in Babelsberg" Dort fragte ich ihn auch, ob er mein erstes Interview für die Blogreihe geben möchte.
Neben der Session, die Max vor etwa einem Jahr ins Leben rief,  tourt er außerdem mit der MAX PUNSTEIN GROUP und anderen Bands im In- und Ausland, nimmt seine zweite CD auf, produziert, ist Dozent an der Städtischen Musikschule Potsdam, gibt Workshops, achja…und bekommt nebenher noch den Kunstförderpreis des Landes Brandenburg. Ich bin also unglaublich gespannt auf das kommende Gespräch.

Wenn das Hobby zum Beruf wird

Max drückt mich herzlich zur Begrüßung und wir gehen in den „Viktoriagarten“,
eine kleine Buchhandlung mit Café. Dort bestellen wir Kaffee und ich mir ein Schokocroissant und irgendwie fühlt es sich weniger wie ein Interview, weniger wie Arbeit als ein Gespräch unter Freunden an. So ähnlich muss es für einen Musiker sein, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat.
Professioneller Musiker – ein Ziel, das für Max nicht unbedingt selbstverständlich war, obwohl beide Eltern Berufsmusiker sind und sowohl Proben als auch Konzerte den Alltag bestimmten. Früh bekam er Klavierunterricht von seiner Mutter – ohne Druck, wie er oft betont. Alles war ungezwungen und zugleich natürlich. Später kam die Trompete hinzu.
„Ich spielte damals schon in mehreren Bands, ohne dass für mich direkt feststand, mein Hobby zum Beruf zu machen. Ich war vielseitig interessiert, dachte daran, Biologie oder Medizin zu studieren und trainierte sogar für Marathons!“ Max lacht.
Dass er seine Meinung ändern würde, lag dann vielleicht doch ein wenig an seinen Eltern, die ihn in allen seinen Entscheidungen unterstützten. So auch, als sie seine wachsende Faszination für das Schlagzeug bemerkten und ihm kurzerhand eine Probestunde bei dem Schlagzeuglehrer der Städtischen Musikschule Kaiserslautern organisierten. Fortan nahm er regelmäßigen Unterricht, spielte bald in mehreren Bands verschiedener Genres, studierte später „Jazz und Aktuelle Musik“ an der Hochschule für Musik in Saarbrücken und bekam dort auch einen Lehrauftrag.

Er kam, sah und … jammte!

Obwohl er sich schon bald in der Region etabliert hatte, zog es ihn in den Norden: „Ich war nach dem Studium super vernetzt, habe viel gespielt, war viel unterwegs. Aber ich wollte mich einfach weiterentwickeln. Gerade was Musik betrifft, gibt es ein paar Städte, wo richtig was los ist und das sind zum Beispiel Köln und Berlin.“ Dass es dann doch Potsdam und nicht Berlin wurde, war letztendlich der Liebe geschuldet. Und darüber ist er nach wie vor sehr froh. „Ich bin sehr schnell in Berlin und gehe dort regelmäßig zu Sessions und Konzerten. Aber hier in Potsdam ist die Szene viel überschaubarer, man lernt schnell neue Leute kennen, man kann sich hier auch viel mehr einbringen. In Berlin gibt es ja schon sehr viel“.
Das tat er auch sofort. „Mich hat es total interessiert, was hier direkt in meinem Umfeld, in der Stadt selbst passiert. Und um Leute kennenzulernen sind Jam Sessions immer super Orte. Dann habe ich geschaut, was es hier so gibt und habe zunächst nichts gefunden.“  So beschloss er, selbst eine Musikveranstaltung zu initiieren. Mit Unterstützung der Jazzinitiative Potsdam um den damaligen Vorsitzenden Jürgen Börner rief er letztes Jahr „JazzTime in Babelsberg“ ins Leben.

Musik macht man nicht allein…

Kurz vorher startete auch Band-Kollege Nicolas Schulze seine Jam Session „Jazz Lab“. Ich frage Max, ob das zu Rivalitäten führte. „Nein, absolut nicht!“ antwortet er. „Dort haben wir uns ja kennengelernt. Seitdem kooperieren wir sehr viel und ich finde das auch super wichtig. Die Szene hier ist viel zu klein, um sich Konkurrenz zu erlauben. Da ist man viel stärker,  wenn man zusammenarbeitet.“
Dass Vernetzung und Kooperation im Kulturbereich unerlässlich sind, ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die er seither gemacht hat.

…und entwickelt sich immer weiter.

Deutlich wurde aber auch, dass man von Anfang an eine klare Idee haben muss, sich einen genauen Plan macht, wie es laufen soll. Und gleichzeitig immer offen für die Veränderungen bleibt, die so ein Veranstaltungskonzept durchleben kann. „Man muss fähig sein, zu reagieren, Dinge und Abläufe zu verändern und anzupassen, man muss Feedback einholen und es immer weiter verbessern.“
Feedback war es auch, welches für ihn beim Zertifikatkurs wegweisend war und ihm immer wieder neue Impulse gab und auch ein bisschen dabei half, die richtige Tonalität und Überzeugungskraft im Musikbusiness zu finden. „Musiker zu sein ist ein Fulltimejob und man muss immer hinterher sein. Man ist sein eigener Manager und muss somit auch wissen, wie man die Leute anspricht und für sich gewinnt. Wenn man zum Beispiel Mails rausschickt, an Veranstaltungen oder an Booker, kommt ja manchmal nichts zurück und du kannst nicht nachfragen, woran es lag. Da war der Kurs sehr effektiv, die Coaches kommen aus der Musikwirtschaft und wissen, worauf es hierbei ankommt.“

Mal ruhig, mal explosiv – alles scheint möglich!

Auch für das besondere Konzept von „JazzTime in Babelsberg“ waren die Tipps hilfreich. Für jede Veranstaltung lädt Max namhafte Künstlerinnen und Künstler ein, deren Musik im Opening-Teil gespielt wird. „Gerade das macht die Session noch einmal interessanter. Denn jeder Musiker ist so unterschiedlich von seiner Persönlichkeit, bringt meistens seine eigenen Kompositionen mit, die ja auch total verschieden sind und dann entsteht jedes Mal eine ganz andere Atmosphäre. Im März zum Beispiel hatte (der kalifornische Trompeter und Wahl-Berliner) Paul Brody mit seiner Art den ganzen Saal zum brodeln gebracht, unglaublich animiert, noch bevor ein einziger Ton gespielt wurde. Mit dem Gitarristen Benedikt Reidenbach hingegen war es dieses Mal eher ruhig und chillig, aber nicht weniger spannend.“  Und sowohl die immer ausverkauften Abende als auch das Feedback der Gäste zeigen, dass er damit genau den richtigen Ton getroffen hat.
Und auch mein Feedback ist eindeutig: ich revanchiere mich mit der Umarmung, mit der unser Treffen begonnen hat.

Die nächsten Jam Sessions finden am 21. Mai 2015 (mit Daniel “El Congo” Allen) und am 18. Juni 2015 (mit Judy Niemack-Prins) statt.